So wie wir es geplant hatten, machten wir unseren letzten Stop vorgestern 4 Kilometer vor Santiago. Nach den täglichen Ritualen nach der Ankunft ( duschen, Wäsche waschen, Tasche für den nächsten Tag vorbereiten, Bett fertig machen) gingen wir einkaufen. Ich kochte für alle Nudeln mit einer Chirozo- Tomatensauce. Ich glaub es ist etwas scharf geworden, aber alle haben brav aufgegessen. Danach haben wir eine Box an ein Handy angeschlossen und Lieder zu einem leckeren Glas Wein gehört. Bis kurz vor der Sperrzeit von 22 Uhr saßen wir draußen, sprachen über die vergangenen Wochen, lachten und genossen die Abendsonne. Ein toller Nachmittag.
Am nächsten Tag ging es gegen 8 Uhr los. Die 4 Kilometer gingen eigentlich nur durch Santiagos Vorstadt. Gegen 9 Uhr erreichten wir dann das vermeidliche Ziel. Die Kathedrale von Santiago. Überwältigung, Tränenausbruch? Nichts. Komisch. Wir waren jetzt fertig.
Auch das Abholen der Compostella, der Urkunde, war ernüchternd. Wir beim Arbeitsamt blinkte immer in einem grellen Ton eine Nummer auf. Counter 3 ist nun frei. Der "Bearbeiter" schob mir ein Blatt zu, welches ich ausfüllen musste, stempelte meinen Pilgerpass ab und gab mir die Urkunde. Ich fragte " das ist alles?" - "ja das ist alles".
Wir genossen den Tag in vollen Zügen. Um 12 Uhr gingen wir zu der berühmten Messe in der Kathedrale. Sie war brechend voll. Ich fand einen Platz auf einem Steinvorsprung. Eine Frau sang wie eine Göttin. Ich glaube nicht, dass ich schon einmal etwas so schönes gehört habe. Viele der Menschen fielen auf ihre Knie und falteten ihre Hände. Die Stimmung war fesselnd. Und auch wenn keiner von uns richtig gläubig ist, berührte diese Messe alle etwas in uns. Ich habe versucht die Stimmung in einem kleinem Video festzuhalten.
Etwas unfassbares passierte nachdem ein Vogel seine "Reste" auf Hendrik entladen hatte. In einer edlen Tappasbar kam ein Amerikaner auf uns zu und frage, ob wir Pilger seien. Oh nein, jetzt schon wieder diese nervige Smalltak. Als wir dies bejahten drückte er uns 90 Euro in die Hand. Er möchte für unser Mittag bezahlen. Uns vielen die Kinnladen runter. Ablehnen war zwecklos. Mit den Worten "God bless you all" verschwand er und lies uns fassungslos zurück. Das Geld reichte sowohl für das Mittag als auch das Abendbrot und ein Eis :) .
Ich habe relativ schnell gemerkt, nein ich wusste es eigentlich gleich bei dem Anblick der Kathedrale, dass nicht Santiago das Ziel ist. Das Ziel ist- so abgedroschen es klinkt- der Weg, die Strapazen- die Menschen, die Natur, die vielen schönen Momente und die unendlichen Gedanken. Denke ich an die Zeit in Frankreich und Spanien zurück treten die Schmerzen der ersten Tage in den Hintergrund. Sie verblassen hinter den vielen wunderschönen Sonnenaufgängen kurz vor 7 Uhr, den Pausen in einem kleinem Café mit einem Milchkaffee, den Begegnungen mit den vielen Mensch und mir selbst.
Rückblickend empfinde ich den Camino wie das Leben. Es gibt Zeiten, in denen man sich aufraffen muss und in Selbstmiteid versinkt. Dann gibt es Zeiten (sie haben weitaus überwogen), in denen man das Leben in vollen Zügen genießt. Menschen treten in dein Leben. Man verbringt einige Zeit mit ihnen. Mit einigen bleibt man im Kontakt, andere verliert man aus den Augen, aber vielleicht nicht aus den Gedanken. Der menschliche Körper und Geist hat so viel Potential. Viele laufen hier komplett auf Sparflamme...
Nein, ich bin jetzt kein anderer Mensch ;) Aber ich werde diese 4 Wochen die einen wertvollen Schatz in mir tragen. Leider kann man die Erlebnisse der vergangenen Tage weder in Worten noch in Bildern beschreiben. Ich hoffe dennoch, dass ihr Freude an meinen Berichten und Geschichten hattet. Ich danke allen, die in der Zeit mit mir gefiebert haben. Ich hätte nicht erwartet, dass es so viele Menschen interessiert was ich in Spanien so "treibe" ;)
Wer weiß, vielleicht kommt ja schon bald das nächste Abenteuer...
Bis bald